Myanmar – Teil 3: Bagan und das Boot nach Mandalay

Früh morgens ging es mit dem Bus von Naypyidaw nach Bagan (11 Dollar). Dort traf ich zwei nette, vielgereiste Holländer aus Delft. Sie haben ihr gesamtes Gepäck optimiert und sind nur mit einem kleinen Rucksack in Asien unterwegs. In China wurden sie mal Opfer eines Kreditkartenbetrugs, als ihnen 250 Euro für eine lächerliche Teezeremonie abgebucht wurden – auf der Quittung waren nur chinesische Schriftzeichen. Deshalb sind sie jetzt immer eher vorsichtig bei Einladungen aller Art. In diesem Fall bekamen sie das Geld am Ende aber von der Bank zurück.

In Yangon waren sie auch eingeladen worden, und sie seien sich bis jetzt nicht ganz sicher, was das eigentlich war. Ach. Dann erzählten sie: in der Innenstadt angesprochen worden, für den nächsten Morgen verabredet, der Vater dabei, mit der Fähre auf die Insel Dala, Rollermiete 50 Dollar (zu zweit brauchten sie zwei Roller), lokaler Markt, Brücke, Schlangentempel, leckeres Mittagessen bei der Familie zu Hause, über die ganze Zeit hinweg misstrauisch und sich dann dazu gezwungen, nicht so misstrauisch zu sein.

Das gibt’s ja wohl nicht. Der Typ hatte uns jeweils exakt dasselbe geboten. Es war sogar so, dass ich mich um 15:30 Uhr von ihm und seinem Vater verabschiedete, und die Holländer ihn am selben Tag um 18 Uhr trafen. Da haben wir erstmal dumm aus der Wäsche geguckt. Schade, dass es kein Foto davon gibt.

Warum das Schauspiel? Wo ist der mögliche Gewinn? Die Rollermiete kann es nicht unbedingt sein, sicher ist es nicht der günstigste Preis, aber Roller sind in Yangon verboten, was die Miete im Umland bestimmt in die Höhe treibt. Eine Sache hatte ich im vorletzten Beitrag tatsächlich nicht erwähnt, woran man schön sieht, dass ich sie einfach verdrängt hatte. Nach dem leckeren Mittagessen hieß es, dass die Familie für ein neues Haus spart, jedes Familienmitglied hätte seine Sparbüchse, auch die Kinder zahlen jeden Tag ein wenig ein. Und ich sei ja jetzt auch ein Familienmmitglied, ob ich nicht auch etwas zum Hausbau beitragen möchte, dafür würde mein Name an eine Hauswand geschrieben werden (so wie es beim Schlangentempel auch war). Dafür gab ich dann zehn Dollar, so wie die Holländer jeweils auch. Das war mir allein schon das Essen wert, außerdem hatte er mich den ganzen Tag auf Getränke eingeladen. So läuft es also: sie bieten einem einen tollen Tag, machen einen zum Familienmitglied, und am Ende hoffen sie auf den Jackpot in Form eines schwachen Moments, in dem man möglicherweise 50 oder 100 Dollar oder noch mehr zahlt.

Sehr ausgeklügelt diese Taktik. Ich weiß auch bis jetzt noch nicht, was ich davon halten soll. Ich hatte einen super Tag, der Typ sichtlich auch, auch zusammen mit den Holländern. Er übt sein Englisch und hört Geschichten aus dem Rest der Welt. Hätte ich nicht zufällig die Holländer getroffen, wäre alles für alle gutgegangen. Ich nehme ihnen die Lügerei sehr übel, das geht einfach gar nicht, und dass sie so unverfroren mit den Gefühlen anderer Leute spielen. Die 10 Dollar und vielleicht sogar mehr hätte er auch bekommen, wenn er es einfach als Touristenevent ausgegeben hätte. Ich hatte ihn morgens ja gleich gefragt, ob er Touristenführer oder etwas ähnliches sei, worauf er mir ein schlechtes Gewissen machte. Jemanden so in seine Mitte zu nehmen und aus Geldgier zu erzählen, dass er jetzt ein Familienmitglied sei, ist schon ein starkes Stück und zeugt nicht gerade von Würde und Integrität. Mein Flieger aus Myanmar heraus geht ab Mandalay und nicht ab Yangon, so dass ich glücklicherweise nicht in die Versuchung kommen kann, mich nochmal mit ihm zu treffen, um mit ihm zu „reden“. Sollen sie in der Hölle schmoren, oder, weil sie ja Buddhisten sind, als Schlangen wiedergeboren werden.

Für manche Leute ist man eben nur ein wandelnder Dollarschein. Ein Cowboy aus San Francisco meinte, dass es ihm in Indien nur so ging, und dass ihm mal jemand sogar zwei Wochen lang etwas vorspielte, bis herauskam, was Geld mit der Sache zu tun hat. Ich will gar nicht wissen, wie viel der dort erfahrenen Freundlichkeit auch nur gespielt war. Viel Geld losgeworden bin ich zum Glück nicht. Aber ist so etwas dann wirklich nur gespielt? Immerhin bekomme ich doch etwas Tolles dafür, nämlich Freundlichkeit, ich weiß es eben nur nicht, dass es ein Geschäft ist. Erwartet man, wenn man selbst freundlich ist, nicht auch immer etwas dafür, und sei es nur erwiderte Freundlichkeit? Darf man Freundlichkeit gezielt einsetzen, um an ein wenig Geld zu kommen? Darf man seinen Lebensunterhalt damit bestreiten? Immerhin sieht man sich ja jeweils nur einmal im Leben und die Besitzunterschiede sind gewaltig. Oder ist das dann eine Art Prostitution? Sollte Freundlichkeit immer nur mit Freundlichkeit erwidert werden? Oder ist bei allem, was man kauft, nicht immer auch ein Stück Freundlichkeit des Verkaufenden dabei, und hier haben sie eben manchmal nichts anderes als ihre Freundlichkeit, und können Leute wirklich glücklich damit machen?

Man darf leider auch nicht vergessen, dass die Einheimischen für viele Touristen, mich eingeschlossen, am Ende vielleicht auch nur Objekte sind, deren Lebensweise man begafft und abfotografiert, und mit denen man sich manchmal um lächerliche Geldbeträge streitet. Schließlich ist es in der Tat sehr naiv zu glauben, dass ich in der Weltgeschichte herumlaufe, und alle meinen es nur gut.

Weiter geht’s. Bagan ist vielleicht die größte Touristenattraktion des Landes. Dort stehen die zum Teil noch sehr gut erhaltenen Überreste von 4000 buddhistischen Tempeln aus der Zeit vom 11. – 13. Jahrhundert. Damals war Bagan Hauptstadt des Königreichs. Einiges wurde durch mindestens 16 Erdbeben seit dieser Zeit (das letzte 1975) und natürlich auch durch Kriege zerstört. Warum so viele Tempel auf so kleinem Raum gebaut wurden, wurde mir nicht klar. Vielleicht einfach nur, weil es eine krasse Sache ist.

Als Tourist mietet man sich dort ein altes Fahrrad (1 Euro pro Tag), ein Mountainbike (1,80 Euro), ein e-Bike (2,50 Euro) oder einen e-Roller (4,50 Euro) und erkundet die Tempel auf eigene Faust. Geschichtlich und archäologisch bestimmt sehr interessant, fand ich das alles sehr langweilig. Alle Tempel sehen gleich aus. So nutze ich die Zeit dort lieber um etwas auszuruhen. Immerhin waren viele nette andere Touristen am Start, wie immer gab es viel zu erzählen und zu lachen. Die touristische Infrastruktur bot echten europäischen Kaffee und echte Burger mit echten Pommes.

Außerdem entdeckte ich in Bagan doch noch die guten Seiten des birmanischen Essens. In den meisten Restaurants bekommt man fast alles frittiert und vor schlechtem Öl nur so triefend. Zu fast allem gibt es Eier. Es gibt nichts, was im Ansatz die Bezeichnung Brot verdient, nur ganz schlaffen Toast (in Indien gab es immerhin Variationen wie Naan, Chapatti oder Rot). Furchtbar. Einige Zeit ernährte ich mich deshalb hauptsächlich von chinesischer Nudelsuppe (wenigstens nicht frittiert), Obst und Nüssen. Was sie aber richtig gut können, die Birmanen, sind Salate. Im Touristenzentrum Bagan habe ich mich mal rangetraut. Auch das Essen bei der Familie bestand zum Großteil aus Salaten. Tomatensalat, Karottensalat, Bohnensalat, Auberginensalat, Glasnudelsalat, Teeblattsalat – köstlich. Neben der richtigen Menge Zwiebeln und Knoblauch (geschnitten, nicht gepresst!) ist die geheime Zutat jeweils Erdnüsse, geröstet oder in Form von Soße.

Von Bagan ging es dann weiter nach Mandalay, der zweitgrößten Stadt des Landes. Hier war zunächst der Weg das Ziel. Zweimal pro Woche fährt nämlich ein „slow boat“ (langsames Schiff) den Bagan und Mandalay verbindenden Fluss Ayeyarwady entlang, das zwei Tage dafür braucht und nur 15 Dollar kostet. Am ersten Tag ging es morgens um 5 Uhr los, lange vor Sonnenaufgang. Nur wenige Male hielten wir an einfachsten Liegeplätzen an, damit Menschen und Waren über zwei lange Latten ein- und aussteigen konnten. Nie waren wir mehr als 15 Passagiere, davon fünf westliche Touristen, übrigens alle Langzeitreisende. Alle entspannten am oberen Deck, beruhigt vom Motorengeräusch, das überraschenderweise kaum störte. Die vorbeiziehende Landschaft ist sehr eintönig, eigentlich sieht man immer nur den von höheren Wasserstand zeugenden hellen Sand und dahinter Gräser mit manchmal ein paar Palmen. Auch das beruhigt. Die Sonne scheint, es ist bestes Wetter, man ist die ganze Zeit im Schatten an Deck, dank Fahrtwind geht eine kühlende Brise. Auf dem größten Teil des Flusses gibt es 3G Internet, was mich etwas verwundert hat.

Am einen Ende des Bootes gibt es eine kleine Küche, in der eine nette Frau Getränke verkauft und leckeres Essen zubereitet: French Toast mit Kaffee zum Frühstück, Nudeln mit Gemüse und Bohnen, und so weiter. Zwischendurch brachte sie uns auch einfach so Süßkartoffeln mit Salz. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit legten wir bei einem sehr kleinen Dorf an. Übernachtet wurde dem auf Schiff auf dem aus Holzbrettern bestehenden Boden. Um 21 Uhr ging das Licht aus und es war stockdunkel. Yogamatte, Moskitozelt und dicker Schlafsack ließen mich erstaunlich gut schlafen. Die Einheimischen schauten sich fasziniert an, wie ich das Zelt aufbaute und mein Kopfkissen aufpustete, und schliefen kurz danach ohne den ganzen modernen Schnickschnack mindestens genausogut. Am nächsten Morgen ging es früh weiter. Es gab zwar eine Dusche, die lud aber eher dazu ein, mit dem Duschen bis zur Ankunft zu warten. Am späten Nachmittag erreichten wir dann Mandalay.

 

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